Jul 12 – Sep. 6, 2022
Tue, Jul 12 2022
Grindcore ist eine Slapstick-Comicfigur, die ununterbrochen rennen muss und die trotzdem von allen Seiten mit unerbittlichen Schlägen versehen wird. Grindcore ist das nervöse Zittern desjenigen, der in der brandenen Realität unfähig ist, zu entscheiden, wie zu reagieren sei, und stattdessen vorübergehend in eine Starre verfällt. Und dann doch weiterhasten – das Grindcore-Subjekt muss sich der Geschwindigkeit und der Brutalität anpassen, um als neuer Barbar doch noch den rettenden Sprung zu wagen und mit List und Hakenschlagen dem modernen Alltagsleben etwas abzuringen. Eine Sendung mit Cuntroaches, Miami Death 2, Mørtel und Patrick Viol.
Tue, Jul 19 2022
Eine Radiosendung über Friederike Mayröcker – über innere und äußere Bepflanzungen, über die Abwesenheit geliebter Menschen, über rasende Sprache, über Sehnsucht und Einsamkeit. Zu hören ist eine Gedenklesung für Friederike Mayröcker mit Vincent Sauer und Iris Dankemeyer.Hier mehr Wutpilger…
Tue, Jul 26 2022
Wasilli Grossmann wird 1905 in Berditschew (Ukraine) geboren. Er kommt aus einer Familie der säkular-aufgeklärten jüdischen Intelligenz. Als Militärkorrespondent begleitet er den Kampf der Roten Armee gegen die Nazis. Er berichtet über die Schlacht von Stalingrad, er beschreibt die ethnischen Säuberungen in der Ukraine, Weißrussland und Polen, er schreibt Dokumentationen über das Vernichtungslager Treblinka und das Konzentrationslager Majdanek. Sein populärster Roman “Leben und Schicksal” entwirft ein gesellschaftliches Panorama in der historischen Situation der Schlacht um Stalingrad. Dabei beschreibt er ein Paradox: Auf der einen Seite ist die Sowjetunion ein bewaffneter Garant dafür, dass den Nazis Einhalt geboten wird – auf der anderen Seite wird dieser Staat selbst zur Fratze, bis hin zum Antisemitismus. Diese Ausgabe der Sendereihe “Wutpilger-Streifzüge” widmet sich dem sowjetischen Schriftsteller Wasilli Grossmann und seinem Hauptwerk “Leben und Schicksal”. Sie basiert auf einem Gespräch mit Norman Salusa.
Tue, Aug 02 2022
Konrad Wolf (1925-1982) gehört zu den wichtigsten Regisseuren der DDR. Als Präsident der Akademie der Künste hatte er einen offizellen Posten inne und richtete sich nie offen gegen die Linie der Partei. Aber seine Filme sprechen nicht die Sprache eines Staatsregisseurs mit vorauseilendem Gehorsam. Sie zeigen Individuen, die mit Zweifeln und Widersprüchen zu tun haben. Gerade weil in ihnen auch von der Möglichkeit des Scheiterns erzählt wird, verweisen seine Filme auf das Universelle, die freie Menschheit. Nicht zuletzt ist in ihnen immer wieder die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus präsent – Wolf hatte als Teil einer jüdischen und kommunistischen Familie aus Deutschland fliehen müssen und war als Teil der Roten Armee nach Deutschland zurückgekehrt. Eine Radiosendung mit Antje Vollmer und Jakob Hayner. Mehr Streifzüge…
Tue, Aug 09 2022
Diese Radiosendung setzt sich kritisch mit der Pädagogik von Johanna Haarer (1900-1988) auseinander. Mit den Büchern „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ und „Unsere kleinen Kinder“ schrieb Haarer die wichtigsten nationalsozialistischen Erziehungsratgeber. Doch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ wurde auch nach 1945 unter verändertem Titel bis in die 1980er Jahre wieder aufgelegt. Was machte die Pädagogik von Johanna Haarer aus? Was war das neue an dieser Pädagogik? Worin bestehen Kontinuitäten bis heute? Was machte Haarers Bücher auch nach 1945 anschlussfähig? Zu diesen Fragen kommen Karin Nungeßer, Wolfram Ette, Anne Kratzer und Benjamin Ortmeyer zu Wort.
Tue, Aug 16 2022
„Es war einmal ein Kind eigensinnig und tat nicht, was seine Mutter haben wollte. Darum hatte der liebe Gott kein Wohlgefallen an ihm und ließ es krank werden, und kein Arzt konnte ihm helfen, und in kurzem lag es auf dem Totenbettchen.“ – So beginnt eines der kürzesten Märchen aus den Sammlungen der Gebrüder Grimm. Das Märchen vom eigensinnigen Kind verdeutlicht die Bedeutung dessen, was Eigensinn ist: Eine Reaktion auf unterdrückende Verhältnisse, die das Leben tendenziell unmöglich machen. Aber Eigensinn muss keineswegs eine emanzipatorische Stoßrichtung haben, er kann auch gemeine, barbarische, reaktionäre Züge tragen. Wolfram Ette untersucht in seinem Buch „Das eigensinnige Kind – Über unterdrückten Widerstand und die Formen ungelebten Lebens“ die pathologischen Folgen unterdrückten Eigensinns. Einigen Gedanken dieses gesellschaftspolitischen Essays folgt diese Sendung.
Tue, Aug 23 2022
Lauf schneller, Genosse – die alte Zeit ist hinter dir her. Aber wovor läufst du eigentlich davon? Vor einer Gegenwart, in der man nur die Wahl hat: Arschloch oder Punk zu sein. Eine Radiosendung über Punk im Raum Halle/Leipzig mit Lötfett, 206, New Adults, B’schiszn, St. Toupet, Egg Idiot und „Inhalt“. Mit Texten von Jana Lorenz, Max Mustermann, Knosbe Cayenne und „Matthias“ Baader Holst.
Tue, Aug 30 2022
Diese Ausgabe der Sendereihe “Wutpilger-Streifzüge” widmet sich dem Antifaschismus in der Musik. Und diese Inhaltsbeschreibung muss sogleich mit einer Einschränkung verbunden werden. Es geht nicht um Songs gegen Nazis – es geht nicht um agitatorische Popmusik. Antifaschismus in der Musik – das soll in dieser Radiosendung bedeuten: Beatmusik, Garage und Rock’n’Roll aus Großbritannien und aus den USA. Es geht um westliche Musik aus den 60er Jahren und wie diese Musik in der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland rezipiert wurde. Die Texte, die zu dieser Musik gesungen werden, sind meistens unpolitisch. Es geht um Liebe, Sehnsucht, Konsum, Mobilität und Alltag. Und doch wirkten diese Songs im postnazistischen Deutschland wie kleine Sprengsätze. Sie wurden verstanden als grundlegender Einspruch gegen das, was als deutsch galt. Sie wurden verstanden als Gesten einer umfassenden Verweigerung. Um die damalige Wirkung dieser Musik zu verdeutlichen, kommen in dieser Sendung Karl-Heinz Dellwo, Ditterich von Euler-Donnersperg, Wolfgang Seidel, Lutz Taufer und Roger Behrens zu Wort.
Tue, Sep 06 2022
Als Herausgeber der Zeitschrift „Die Aktion“ war der Publizist Franz Pfemfert (1879-1954) nicht nur eine äußerst wichtige Figur für den Durchbruch der expressionistischen Literatur in Deutschland. „Die Aktion“ war ein wichtiges Organ für alle Kriegsgegner im 1. Weltkrieg und wurde später zu einer Plattform kommunistischer Dissidenz, des Rätekommunismus, Anarchismus und Anarchosyndikalismus. In seinen theoretischen Positionen war Pfemfert rigoros und unnachgiebig – seine publizistische Tätigkeit war pluralisistisch im Sinne der kommunistischen Opposition. Sein Lebensweg war geprägt vom Nationalsozialismus und Stalinismus, gegen die er anschrieb. Eine Radiosendung mit dem Historiker Marcel Bois.